Samstag, 15. März 2014

Gutennachtgeschichte

Für meinen Auftritt am Montag muss ich natürlich üben und als ich meinen Text heraus gesucht habe, ist mir diese Geschichte in die Hände gekommen, die ich vor Jahren geschrieben habe:

Die Netzfrau
Ich lebe in den Tiefe des Meeres, kein Licht dringt zu mir durch. Blind bin ich, meine Augen wie Kohlestückchen. Würde man mich fragen, wer mir am nächsten steht, würde ich sagen, der Wal ist mein Bruder. Ich spüre alles was um mich ist, die Fische, Nixen und ertrunkenen Seemänner, die verlorenen Seelen, die am Grunde des Meeres keine Ruhe finden. Ich sitze da, in Mitten eines riesigen Netzes. Alterslos bin ich, ohne Anfang und Ende. Sitze da und warte auf das was mir zufällt. Zu mir finden Dinge, die das Schicksal eines Menschen mitbestimmt haben, die im Leben unerledigt geblieben sind.
Sie bringen Geschichten mit, sie bringen Träume mit, verlorene Träume zumeist. Begraben unter den Mühlsteine des Lebens, zerschlagen wie Geschirr. Die Menschen gehen über Scherben und doch fühlen nur wenige den scharfen Schmerz einer spitzen Kante. Halten inne, um sich verwundert zu Fragen, welcher Schmerz sie so plötzlich getroffen hat.
Ein Schmerz, der in die Tiefe geht, der Erinnerungen wach ruft, an Verluste, die man erlitten hat. Wohin mit all dem Schmerz, mit all der Trauer? Versenkt in den Tiefen des Meeres, in der absoluten Dunkelheit, bei mir der Netzfrau. Bei mir geht nichts verloren. Weder das Gute noch das Böse, weder die Liebe noch der Hass. Bei mir laufen die Lebenslinien zusammen. Ich bin es, die die Fäden in den Händen hält. Einer führt auch zu dir. 

Es ist ja immer wieder spannend zu lesen, was man früher so geschrieben hat und da hatte ich wohl gerade eine sehr melancholische Phase.

Im Rahmen meine Abschlussarbeit für eine Figurentheaterweiterbildung habe ich dann diesen Text als Grundlage genommen, um eine kleine Geschichte zu erarbeiten.
Mit dem ursprünglichen Text hat sie aber nicht mehr all zu viel zu tun.